Lieber Ole, lieber Max,
ich schreibe Euch hier für später, in einigen Jahren, wenn Ihr mal die
Erkaerbaer-in für euch „erobern“ werdet, einige Zeilen.
Ich bin in den letzten Wochen sehr oft von sehr vielen Leuten gefragt
worden, warum ich dich, Ole, nur ab und zu sehen kann. Warum ich nichts von
deinem Leben weiß, obwohl ich doch deine Mama bin.
Und warum ich dich, Max, gar nicht sehen darf. Warum wir schon ganz lange
nicht mehr miteinander spielen, uns treffen oder wenigstens telefonieren
dürfen.
Und ich kann mir vorstellen, dass ihr Beide das auch gerne wissen möchtet.
Dass ihr das bestimmt ungerecht findet, dass Ole mich ab und an einige
Stunden besuchen, oder sogar mal mit Mama weg fahren, darf, aber Max gar
keinen Kontakt zu mir haben darf.
Bisher habe ich das ganz vorsichtig versucht, dir Ole, das kindgerecht zu
erklären. Aber nicht wirklich Inhalte angesprochen. Das habe ich dem Papa
überlassen, da er dich Ole und dich Max großziehen wird und mit Euch den
Rest Eures Lebens gestalten muss. Und da er ja den gesamten Alltag mit euch
bewältigen muss. Und er weiß am besten, was ihr Zwei gerade an Informationen
verkraften könnt.
Aber für später, wenn ihr älter seid und Euch fragt, was war denn da
eigentlich? Warum war Mama auf einmal „einfach weg“? Da möchte ich Euch
diese Erklärung hier auf Erklaerbaer-in hinterlassen.
Mama war niemals auf ein Mal weg.
Wie ihr wisst, ist Papa in einem Dänemark-Urlaub schwer krank geworden und
war dann lange Zeit im Krankenhaus. Und danach hat sich ganz vieles bei uns
in der Familie geändert. Danach hatten Papa und Mama längere Zeit Streit.
Und wir sind dann auch in unterschiedliche Wohnungen gezogen im gleichen
Haus. Und irgendwann wollte Mama in das andere Haus auf der anderen
Straßenseite ziehen.
Als Erwachsene nennt man das „eine hochstrittige Trennung“. Das bedeutet,
dass wir uns nicht mehr länger lieb hatten. Und leider – trotz Hilfestellung
von außen – auch nicht in der Lage waren, uns friedlich und freundlich
voneinander zu trennen. Und auch nicht in der Lage waren, unsere Kinder
betreffende Regelungen einvernehmlich zu regeln.
Mama ist dann schlagartig sehr schwer krank geworden und ins Krankenhaus
gekommen. Und der Papa hat sich dann sofort und plötzlich ganz um Euch
gekümmert. Das hat viele Monate gedauert. Mama war oft im Krankenhaus. Ihr
ging es immer schlechter. Und Sie ist für 5 Monate ganz ausgefallen.
Dann ist Sie auch für einige Wochen über Weihnachten alleine weggefahren,
weil Sie erfahren hat, wie schwer krank Sie ist. Sie hat erfahren, dass Sie
an Ihrer Herzerkrankung versterben wird. Und dass es keine
Behandlungsmöglichkeit für diese Erkrankung gibt. Damit musste Mama sich
alleine auseinandersetzen. In einer normalen Familie, wo Papa, Mama und
Kinder sich lieb haben, hätten sich da alle gemeinsam mit dem Thema
auseinander gesetzt. Aber in unserem Fall musste Mama allein mit dem Problem
klar kommen.
Papa hat sich – wie in den Monaten, seitdem ich erkrankt bin – in der Zeit
ganz alleine und ganz toll um Euch gekümmert.
Dann haben Mamas tolle Ärzte es unerwartet geschafft, dass es Mama besser
ging. Mama hat eine Behandlung bekommen, die es eigentlich gar nicht gibt.
Sie hat den Ärzten unterschrieben, dass Sie diese Medikamente auf eigene
Verantwortung testet. Und erstaunlicherweise wirkten die Medikamente ganz
toll! Keiner weiß wie lange sie wirken. Aber sie wirken. Momentan zumindest.
Und dann wollte Mama Euch wieder besuchen und sich mit euch treffen. Und die
restliche Lebenszeit gemeinsam mit Euch, Ihren Kindern, verbringen. Aber das
wollte der Papa nicht. Papa wollte euch beschützen.
Mama hat dann mit Anwälten lange gekämpft, bis ich dann dich Ole, endlich
wiedersehen durfte. Das war sehr schön!
Aber dich Max durfte ich leider nicht mehr sehen. Die Leute, die für dich
Max zuständig waren – der Papa, die Diakonie Düsseldorf, das für dich
zuständige Jugendamt und das Vormundschaftsgericht – waren der Meinung, dass
ich die letzten Jahre keine gute Mama für euch Beide war, dass ich Euch
krank gemacht hätte bzw. für Eure psychischen Probleme verantwortlich
gewesen wäre, und wegen meiner Erkrankung auch nie wieder eine gute und
zuverlässige Mama mehr bin und sein kann.
Mir wurde schriftlich gegeben, dass es euch Beiden jetzt erstmalig in eurem
Leben gut geht, seitdem ich, Eure Mama, mich längere Zeit nicht mehr um Euch
kümmern würde. Das hat mich sehr traurig gemacht. Und das war sehr schlecht
für meine Herzerkrankung.
Ich habe dann mit meiner tollen Anwältin erkämpft, dass ich auch etwas
Kontakt zu dir Max haben darf. Es war sehr schön mit dir Max.
Leider war jedoch meine Erkrankung nicht so stabil, dass ich die Auflagen
terminlichen festgezurrten Auflagen des Jugendamtes, um zu beweisen, dass
ich eine zuverlässige Mutter bin, hätte einhalten können. Der Stress durch
den Kampf um euch und die empfundenen Ungerechtigkeiten und die Trauer und
den Schmerz für Euch und mich, haben mein Herz massiv weiter geschwächt. Und
damit habe ich (bzw. meine Krankheit hat) klar bewiesen, dass ich als Mutter
und Pflegemutter terminlich und absprachetechnisch unzuverlässig und
unberechenbar bin. Und daran werde ich leider nichts mehr ändern können.
Meine Ärzte haben mir jeglichen Stress ganz klar verboten. Jeglicher Stress
verkürzt mein Leben weiter. Und ein rechtlicher Kampf um Besuchskontakt ist
purer Stress. Für Euch und für Eure Mama.
Ihr Beide habt sehr unter den Streitigkeiten zwischen Papa und Mama
gelitten. Ihr musstet sogar zum Jugendamt und wurdet von offiziellen Leuten
über Mama befragt.
Ich musste Termine mit Euch wegen Krankheit absagen. Papa hat auch Termine
aus anderen Gründen abgesagt. Das war bestimmt schwer für Euch, weil ihr
euch ja jedes Mal auf Mama gefreut habt.
Ich wollte nicht, dass Ihr weiter unter der Gesamtsituation leiden müsst und
habe dann im Sommer gesagt, o.k., ich lasse los. Ich ziehe mich zurück.
Bitte werdet mit Papa eine glückliche Familie. Papa muss euch groß ziehen.
Ich kann es leider gesundheitlich nicht. Ich möchte keinen Streit und Kampf
mehr. Durch mich gibt es für euch nur Stress und Traurigkeit.
Aber hast du Ole, ab dem Abend, als du nach Dortmund ins Internat gekommen
bist, dafür gekämpft, dass du mich sehen willst! Obwohl ich krank bin! Und
das hat mich sehr gefreut! Und es tut uns Beiden sehr gut. Und Papa ist
damit einverstanden, dass du mich sehen darfst, wenn du mich sehen möchtest.
Ich weiß nichts von deinem Leben Ole. Du darfst Mama leider nichts aus
deinem Leben erzählen. Und ich erfahre von Anderen nichts mehr. Aber ich
weiß, dass wir uns lieb haben. Und dass wir die Stunden miteinander
genießen. Und das ist alles, was zählt. Die Liebe zueinander.
Max, ich habe im August Papa und allen die für dich verantwortlich sind,
angeboten, dass ich gerne mit dir auch ab und zu spielen möchte. Ein Eis
essen gehen möchte. Mit dir basteln kann. Oder videotelefonieren. Ich dich
oder du mich besuchen kannst, wenn es mir gut geht. Genauso, wie ich das mit
Ole mache. Wenn es mir gut geht, treffen. Wenn ich krank bin, schreiben oder
(video)telefonieren.
Aber dass ich leider nicht, wie vom Jugendamt gefordert, feste Termine
einhalten oder im Monate im Vorhinein planen und zusagen kann. Das geht
leider nicht. Nie mehr.
Leider möchten das die verantwortlichen Personen nicht. Sie sagen, dass es
besser ist, wenn wir uns nicht mehr sehen und treffen. Es wäre zu belastend
für dich, wenn wir uns nur ab und zu sehen können. Oder ich wegen einer
Verschlechterung meiner Erkrankung Besuchstermine mit dir absagen muss, oder
wir uns im Falle einer deutlichen Verschlechterung oder meines Todes dann
gar nicht mehr sehen könnten.
Ich bin sehr traurig deswegen. Ich als Mama fühle das anders. Aber ich
denke, sie wollen dein Bestes.
BEI MEINER HFpEF RECHERCHE HEUTE WAR MIR EBEN DER GEDANKE GEKOMMEN, DASS ICH SOWAS WICHTIGES EINFACH DIREKT NIEDERSCHREIBEN SOLLTE. BESSER IST DAS.